Sonntag, 10. Januar 2010

kapitel1

Kapitel 1


Das Dach eines Hochhauses. Natürlich wie immer. Ein angenehmes Wetter für die Uhrzeit.

16 Uhr 28 Minuten und 44 Sekunden.


Wird Zeit die Vorbereitungen zu treffen. Ich nehme meine vergoldete Quarzuhr vom Handgelenk. Sie sieht zwar recht billig aus aber dennoch ist sie der genaueste Gegenstand den es in meiner Welt gibt. Ich lege sie vor mir auf die Dachkante damit ich sie immer im Blick habe. Jetzt ist das Bluetooth Headset dran. Handy konfigurieren und es funktioniert.

In meinem Auftragsumschlag steht ja noch die Nummer des Opfers. Beinahe vergessen.

Schnell den kleinen gelben Zettel aus dem Umschlag raus suchen und sie schon mal in das Handy tippen. Jetzt kurz auf Anruf und sofort auf Abbrechen drücken. So brauch ich nachher nur die Wahlwiederholung.

Eigentlich müsste ich die Nummer schon auswendig können so oft ich wie ich sie schon gewählt habe. Aber man sollte sich sowieso nicht jeden Scheiß merken.

So. Uhrzeit, gecheckt. Telefon, gecheckt. Fehlt nur noch mein geliebtes Stahlrohr. Das hab ich schön unter meinem Mantel platziert. Ungefähr ein Meter lang und am Ende abgebrochen.

Sieht schon etwas gruselig aus. Weiß nicht einmal warum aber irgendwie ist das so. Darauf geschissen. Ich lege es neben meine Uhr und gut ist.


Ein Blick auf die Uhr.

16 Uhr 30 Minuten und 17 Sekunden.

Starre noch ein paar Sekunden darauf bis es langweilig wird. Am Besten nutze ich noch die übrige Zeit für meine Konzentration. Also stehe ich einfach nur da und versuche an nichts zu denken.

Konzentriere mich auf die schöne Aussicht.

Schön. Sehr schön. Aber langweilig.


Mein Blick wandert hoffnungsvoll auf meine Uhr.

16 Uhr 30 Minuten und 45 Sekunden.

Starre noch ein paar Sekunden darauf bis auch das langweilig wird. Hmmm. Warum liegt auf solchen Dächern immer der gleiche Kies herum? Und warum sehen diese Dächer eigentlich immer so verdammt gleich aus? Verdammt. Ich mache mir wieder Gedanken über irgendeinen Schwachsinn. Ich habe Wichtigeres zu tun.


16 Uhr 31 Minuten und 5 Sekunden.

Vielleicht verteilen sie den Kies damit Leute wie ich hier nicht unbemerkt bleiben.

Oh Mann. Bleib aufmerksam Ich sollte weniger koksen vor einem Auftrag. Beruhige dich. Du hast es schon tausend Mal durchgeplant. Egal, es wird hundertprozentig funktionieren. Aber ich will es perfekt haben. Schade das ich es nicht filmen kann.


Shit. Die Uhrzeit.

16 Uhr 31 Minuten und 21 Sekunden.

Die magische Zeit. Jetzt noch schnell das abgebrochene Stahlrohr fest in die Hand nehmen und über den Rand des Daches halten. Verdammt schwer das Ding. Komisches Gefühl auf der Handfläche.
Irgendwie unangenehm aber trotzdem vertraut. Jetzt erstmal die Position prüfen. Ich schaue auf den verfluchten Kiesboden. Direkt an der Schuhspitze meines rechten Schuhs liegt ein ovaler, brungetönter Stein und gleich daneben ein recht unförmiger Grauer. Ich stehe also perfekt. Liste komplett. Jetzt fängt die Entspannungsphase an.


Hochhaus mit 50 Stockwerken. Aber man gewöhnt sich daran. Verdammte Gewohnheit. Fuck, bin ich high. Bin dadurch zu unkonzentriert. Schluss jetzt. Tippe zweimal auf den Anrufknopf. Ich liebe die Wahlwiederholung.

Es klingelt...


„Hi.“


Dieser Idiot Martin Scheittmann. Fett, Halbglatze und trägt eine Brille die so groß ist das man zwei daraus machen könnte. Sitzt da gemütlich auf einer Holzbank mit seinem Käsebrot und ist super schick angezogen. Trägt eine Hose die genauso grau ist wie sein Leben und versucht diese Tristesse mit einem rot-grün-blau gestreiften Poloshirt wett zu machen.

Wahrscheinlich haben sich die Fasern schon mit seiner Körperbehaarung verwoben die er ganz ungeniert aus seiner Spieserkleidung platzen lässt. Besonders eklig sind seine Unteerarme. Der hat einen verschissenen Urwald oberhalb des Handrückens. Man stelle sich diesen Nerd voor und dann meldet er sich mit einem hippen Hi. Dazu noch noch mit einem leicht schwuchteligen Unterton. Ich versuche nicht über sein Selbstbewusstsein zu kotzen und antworte mit einem unterkühlten


„Hallo.“


Gott, ich will alles tun um nicht so lächerlich zu klingen wie er.


„Wer spricht?“


Oh, höre ich da ein wenig Aufmüpfigkeit heraus? Nun ja, ich lass ihm den Spaß und antworte ihm monoton. Das lässt mich ein wenig kaltblütiger wirken. Glaube ich zumindest.


„Fred ist mein Name.“


Am Anfang hatte ich noch Probleme damit meinen wahren Namen zu nennen bis mir bewusst wurde das es egal ist. Der Name ist in ein paar Stunden sowieso Geschichte.


„Wer zum Teufel bist du?“


Jetzt fängt der Spaß an.


„Ach Martin. Du kennst mich nicht und das ist echt schade. Wenn du wüsstest wieviel Zeit wir miteinander verbracht haben und wie oft wir uns immer wieder frisch kennengelernt haben. Und damit meine ich es auf eine nicht homoerotischen Ebene. Wenn du nur so verstehen könntest wie ich.“


„Was?“


Fuck you. Niemand unterbricht mich.


„Jetzt kommt das Schlimmste. Heute ist unser letzter Tag. Das ist unser Tag, verstehst du? Ein einzigartiger Tag. Zumindest für mich. Und trotzalledem werde ich einen Regenbogen kotzen wennich dich erledige. Nur weil du so ein ekelhafter Bastard bist.“


Soviel habe ich noch nie mit ihm geredet. Bin auf seine Antwort gespannt.


„Ich weiß ja nicht was für ein Gestörter du bist, Fred. Aber ich glaube du solltest mich nicht mehr anrufen denn ich habe gefährliche und einflussreiche Freunde.“


Ich liebe sowas. Versucht mit coolen Drohungen seinen Penis zu vergrößern.


„Kann ja sein, Martin. Aber ich denke du hast eher noch gefährlichere und einflussreichere Feinde. Die wollen tatsächlich das du stirbst. Und das in den nächsten paar Sekunden.“


Verdammt. Darf die uhr nicht aus dem Blick verlieren.

16 Uhr 33 Minuten und 33 Sekunden.

Nicht mehr lange. Nicht mehr lange.


„Diese Leute sollten es sich lieber noch einmal überlegen sich mit mir anzulegen.“


Wie niedlich.


„Du verstehst nicht. Meine klienten haben ihre Entscheidung schon gefällt. Dieser Anruf hier ist nur zu meiner persönlichen Befriedigung und um dein Ableben gleich etwas unterhaltsamer zu gestalten. Mehr nicht. Du bist also gerade nur mein persönlicher Hofnarr.“


„Leck mich, du Penner. Ich soll also die nächsten paar Sekunden verrecken?“


Er redet jetzt ziemlich hastig. Scheint echt nervös zu sein. Um ihn noch ein bisschen zu quälen antworte ich umso ruhiger.


„Ja, genau.“


„Gut Fred. Ich bin hier auf einem öffentlichen Platz. Überall Zeugen und ein freies Sichtfeld. Was machst du jetzt? Was machst du? Ich hab dich was gefragt.“


Irgendwie hat er ja recht. Sitzt da stinkfaul auf einer Parkbank vor einem gläsernen Bürokomplex. Viele Bürohengste um ihn herum die zu ihrem vegetarischen Mittagessen hasten. Und die haben ihn alle im Blick. Die einzigen Sichthindernisse sind zwei kleine Bäumchen.

Er hat verdammt Recht. Einfach zu viele Problemfaktoren. Sein Plan geht auf.

Nur das mir diese sogenannten Problemfaktoren am Arsch vorbei gehen. Er ist sichtlich aufgeregt. Das erkennt man weil er ziemlich aggressiv redet.

Verursacht bei mir nur ein Schmunzeln.


Er kräht ein paar wirklich unzüchtige Wörter in das Telefon. Ziemlich asoziale Wörter wie ich finde aber es passt zu ihm. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen. Muss nur noch wenige Sekunden sein Geschwafel ertragen.


16Uhr 34 Minuten und 52 Sekunden.

53, 54, 55, 56, 57.


Und fallen lassen.

Ich lasse das Rohr fallen und genieße jetzt jeden Moment in Zeitlupe. Ich spüre jetzt alles langsamer und intensiver. Die kalte Oberfläche des Stahlrohrs die an meiner Hand reibt als ich es langsam entgleiten lasse verursacht bei mir eine Gänsehaut.

Es reibt, reibt, reibt und fällt. Ein kleiner Windhauch trifft mein Gesicht und ich fühle mich befreit.

Es fällt. Das heisst die Würfel sind gefallen. Wenn es funktioniert wird es ein guter Tag. Dann habe ich ein weiteres Meisterwerk geschaffen. Kein Gedanke mehr daran verschwenden, denn jetzt kommt der witzige Teil.


Martin schwafelt und schwafelt und schwafelt. Und dann höre ich es. Zuerst der dumpfe Schlag, dann das Klacken und Kratzen des Handys auf dem Asphalt und zum krönnenden Abschluss ein leichtes Schmatzen und Tropfen. Genau das wollte ich hören. Und genau in solchen Momenten sehe ich mich selber von aussen wie bei einem Nahtoderlebnis. Ich stehe still da mit geschlossenen Augen. Dann der Moment der Erkenntnis. Die frohe Botschaft die mich über das Headset erreicht. Die Wolken reissen auf und die Sonne knallt mir in das Gesicht. Perfekter könnte es nicht sein. Meine Mundwinkel spüren keine Schwerkraft mehr und ziehen sich zu einem breiten Lächeln. Ich bin sicher es hat funktioniert. Bin ich gerade etwas geil geworden. Habe ich einen Ständer gekriegt? Ich schaue nicht nach weil ich mir sonst etwas psychotisch vorkommen würde.

Egal.

Es hat geklappt. Es hat definitiv geklappt.


Ich drehe mich um. Renne auf die Stahltüre zu die mich geradewegs zum Aufzug führen wird. Ich renne in Slow Motion auf diese zerbeulte und glänzende Türe zu und sehe die Reflexion von mir selber darauf. Ich beobachte meinen Körper der sich durch die Beulen der Tür sich ständig bis zur Unkenntlichkeit verformt. Ein schöner Zeitvertreib wenn alles doppelt so lang dauert als normal.

Die Türe wird aufgeknallt und versetze ihr eine weitere Beule. Ich nehme auf der Treppe immer drei Stufen auf einmal. Ich stürze in den Fahrstuhl hinein.

Muss es sehen. Muss es sehen, muss es sehen. Freue mich wie ein kleines Kind.


Es war ja perfekt durchgeplant. Es konnte gar nicht schief gehen. Tausendmal ist es an ihm vorbeigerast und hat ihn nicht mal gestreift. Irgendwie find ich das witzig.

Er hat bestimmt an die hundert Mal gedacht das wäre sein Glückstag. Heute auf jeden Fall nicht, du armer Fettsack.


Der Fahrstuhl braucht ungefähr 47 Sekunden bis zum Erdgeschoss. 47 Sekunden die einem vorkommen wie die drei Tage vor Weihnachten als man noch ein Kind war. Die gleich Nervosität die damals schon hat mein Oberschenkel zucken lassen. Wenigstens sieht man es unter dem Mantel nicht.


Als die Fahrstuhltür sich endlich öffnet kommt mir gleisendes Tageslicht entgegen. Jetzt ist Heiligabend und gehe los. Auf die Drehtür zu an der riesigen Glasfront.

Meine Augen haben sich noch nicht an das helle Licht gewöhnt weshalb ich noch nicht sehen kann ob alles geklappt hat. Aber in anbetracht dessen das ein Dutzend Schlipsträger leichenblass und orientierungslos im Foyer herum laufen, bin ich guter Hoffnung. Orientierungslos wie panische Ameisen. Links, rechts, rechts, links, rechts, kurz stehen bleiben, rechts und so weiter. Dämliche Schlipsträger. Ich laufe als einziger geradeaus.


Sehe schon kleine Blutspritzer am Fenster. Ein gutes Zeichen obwohl ich mehr Blut erwartet hätte oder wenigstens noch ein paar kleine Stückchen. Ich laufe schneller und überlege ab welchem Tempo es nach Rennen aussieht bis mir auffällt das hier alle rennen. Es bemerkt ja schon keiner das ich ein leichte Grinsen auf den Lippen habe.


Schnel durch die Tür und da sehe ich ihn Ich gehe um ihn herum und studiere in ganz genau.

Er hat sogar kurz vor dem Aufprall nach oben geschaut. Das Stahlrohr bohrtesich in sein Maul und zerrte Teile vom Gesicht in seinen Hals. Die Augen sind kurz davor aus seinem Schädel zu fallen. Dann beuge ich mich ein wenig und erblicke wie sich das Rohr bis in de Asphalt gebohrt hat.

Dadurch quillen ihm seine Gedärme aus dem Arschloch und verteilen sich gemächlich unter ihm.

Kreischende und kotzende Passanten versammeln sich um den eingedrückten Haufen Fleisch und Darm. Aber das Schönste daran ist immer noch das er es auf sich hat zukommen sehen.


Jetzt habe ich definitiv einen Ständer. Versuche es mit meinem Mantel zu verdecken und laufe grinsend nach Hause. Das war ein toller Tag. Leider werde ich nie sehen was sie in den Zeitungen darüber schreiben. Was für ein Jammer.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen